Tilmann Moser

El Greco: Stigmatisation des hl. Franziskus

Um 1585/1590, El Escorial

Du Seliger, du Heiliger, du herrlicher Erlöser, Himmelsthronender, Weltenrichter, und du ganz Anderer, Ziel meines Glaubens, Barmherziger, Gemarteter, Lamm Gottes, in Armut geboren, von Hirten zuerst im Elend begrüßt, du Tröster der Elenden und Armen, zu denen du dich gesellt hast, du preisest die Armut,darin will ich dir nahe sein,nicht in der Pracht der Kirchen und Paläste. Härenes Gewand will ich tragen, um dir nahe zu sein, in Armut will ich dir dienen, deinen Glauben erneuern, die prassende Kirche erneuern, die dich vergisst und verliert. Ich erbitte deine Hilfe bei meiner Mission, schicke mir ähnlich Gesinnte, mit der ich eine heilige Bruderschaft gründen will in allen Ländern der Erde.

Heute in meiner frommen Extase sehe ich dich nicht am Kreuz, da für ewig zu deinem Bild gehört. Ich sehe dich entblößt vom Kreuz deines Leidens, du breitest die Arme, von Nägeln und vom Balken befreit, wie freudig nach oben aus, obwohl das unendliche Leid noch in dein Gesicht geschrieben ist. Du Jüngling in magerer Schönheit, wie ich dich gekannt habe mit den Gefährten im früheren Leben des Reichtums, der Verschwendung, in niederen Freuden, des Tanzen mit Frauen und jungen Männern, deren schlanke Körper ich bewundert habe.

Du hast meine Umkehr in die predigende und umherziehende Armut, die Zeugnis ablegte für dich. Du hast mich erhört im Gebet, und als ich es immer innige vor dich brachte, stundenlang kniend und flehend, in verzückter Nähe vor deinem Bild, da hast du mich erneut gesegnet und mir die Gnade deiner Wundmale gewährt. Sie schmerzen mich nicht, sondern sind mein Trost, dass du mich erhört hast. Meine Hände sind nicht mehr kraftvoll für den engen Ringkampf unter Freunden, für den Zug am Zügel unserer feurigen Pferde. Sie sind feingliedrig geworden, denn das Beten ist nur innere Arbeit, Dienst an dir, der die Seele stärkt und nicht den ganzen Körper. Den hast du mich zu verachten gelehrt, und ich quäle ihn oft, wenn er wich nach früherer Lustbarkeit sehnt.

Wenn ich dort oben, wie eine innere Erscheinung,im Himmelslicht sehe, erstrahle ich in deinem Licht, und mein armes Gewand erglänzt in deinem Dienst. Ohne dass es mich heute eitel machen würde. Ich strahle nur deinen Glanz zu dir zurück, zu deinem Körper, wie er vor der Marter und der Kreuzigung gewesen sein mag. Aber anders als bei unseren Knabenspielen am Fluss ist er in Scham verhüllt, als wenn das Symbol der Erniedrigung noch an dir hängen geblieben wäre. Du liebreizender Trost meiner Seele. Du siehst aus wie einer der abgemagerten Knaben, mit denen wir uns in Sünde vergnügten.

Prüfe nicht erneut meine Reinheit, die so mühsam erworben habe. Schenke mir wieder das gleiche Entzücken, in dem ich die Wundmale empfangen habe, nicht die verdorbene Lust, die mich in Träumen heimsucht, wie manche meine sich kasteienden Brüder, wie sie mir am anderen Morgen weinend beichten. Sind denn die Prüfungen nie zu Ende? Ist es denn wahr, dass sich der Teufel auch auf heiligen Wegen einschleichen kann? Wie erkenne ich den Unterschied zwischen heiligen und unheiligen Bildern in meiner Seele? Herr, lehre mich den Unterschied zwischen Andacht und Lust zu erkennen. Auf dass ich nicht weiter sündige,ohne es zu merken. Wenigstens ich muss mich vor den Anfechtungen der Brüder lösen können. Ich muss ihnen doch den Gehorsam vorzuleben vermögen, nicht nur in Werken, sondern auch in Visionen und Gesichten. Ich habe doch die neue Regel der Reinheit selbst verfasst, und sie wurde vom Heiligen Stuhl anerkannt und gesegnet. Sollte sie zu schwer sein für uns sündige Menschen? Müssen wir uns selbst strafen für unsere Verfehlungen, und geschieht Strafe noch einmal, wenn wir vor dein Höchstes Gericht treten. Lass mir nicht verzweifeln an mir und an dir. Kehre zurück in mein frommes Herz, wenn du es wieder gereinigt hast.

Dazu das Bild „Auferstandener Christus“, um 1595-98, Toledo, Hospital Tavera, Fundacion Casa Ducal.