Tilmann Moser

Mund M. Schmitz, „Liebe, Lust und Ehebett“

Katastrophen bestehen, Chancen entdecken

Zum Liebesratgeber von Schmitz und Schmitz

Ein Buch der Weiheit für alle Stadien der Liebeslebens. Und so fängt es an:

„In der Verliebtheit setzt unser Verstand aus, Sehnsüchte nach Harmonie, seelische Bedrüfnisse, Erotik und sexuelle Begierden bestimmen das Fühlen und Handeln. Das Denken ist eingeengt, exaltiert und hochgradig labeil. „ Sigmund Freud nannte den Zustand eine Art Krankheit. „Wir ahnen, dass wir mit solchen Hoffnungen und Wünschen Illusions-Bedrüfnisse nähren.“, und glauben, „dass nur der Richtige kommen muss.“ Der total Richtige kommt aber meist nicht, und der Rest darf oder muss geduldige Arbeit sein, selbst der Sex.Und die Gefahren, die abgewehrt oder bestanden werden müssen: Kritik, Geringschätzung, Langeweile, Seitensprünge, nachlassende Erotik, Misstrauen, Sprachprobleme, Rückzug in Schweigen, Ufähigkeit zu Verzeihen.

Es ist in Paartherapien immer wieder so erstaunlich wie betrüblich, über wie vieles nicht gesprochen werden kann, selbst starke Wünsche, die heilsam sein könnten, können nicht getanden werden. Und das Verrückteste: viele Paare können sich in innigen Situationen und erst recht beim Verkehr nicht in die Augen schauen, manche Partner, öfter die Frauen, verlangen immer noch Dunkelheit bei der Lust. Aber erfinderisch Sein stimuliert die Freude aneinander, und wenn es zu lange stagniert oder Dauerärger mit Generalabrechnungen gibt, helfen oft Erholungspausen, von Zimmer zu Zimmer oder sogar ein vorübergehendes Auseinander-Ziehen, aber bitte in Reichweite bleiben, damit die Verständigung nicht abreißt.

Doch oft hilft wirklich nur noch Paartherapie, beim Sich-Wieder-Finden, aber auch beim Auseinander-Gehen. Eine Paartherapapie muss nicht Jahre dauern: oft braucht es nur einen Dolmetscher für ein paar Stunden, um dem Verstummen, aber auch den realen Sprachbarrieren zu Liebe zu rücken. Denn Krisen können zur Chance werden, und es gibt kluge Buch-Ratgeber oder eben Berater, denen ein Seitensprung nicht gleich wie die Urkatastrophe vorkommt, sondern der verstanden, nicht aber gleich zum totalen Bruch führen muss, sondern ein Zeichen dafür gewertet, was dem einen oder anderen Partner leidvoll gefehlt hat, worüber aber nicht gesprochen werden konnte. Dann kann auch das Misstrauen wieder verschwindenund das Ping-Pong-Spiel der Vorwürfe beendet werden. Doch immer noch gefährlich: „Vollgaskarrieren“ bei beiden, und Drückebergerei der Männer inder Unterstüzung im Haushalt und mit den Kindern. Feinabstimmung tut Not, oder auch kräfties Verhandeln um die Chancen der Selbstverwirklichung.

Margot und Michael Schmitz, Liebe, Lust und Ehebett. Orac-Reine bei Kremayr und Scheriau, Wien 2015, 255 S., hardkart.

Tilmann Moser