Tilmann Moser

Johann Georg Dathan: Bildnis einer älteren Frau in Husarenuniform

nach 1737, Kunsthalle Karlsruhe

Die Husarin: Weiber in Männerkleidung sind ein uraltes Thema, und ich kann sie alle gut verstehen, was immer sie auch ausdrücken oder erreichen wollten: eine List, eine Racheaktion, ein auf andere Weise unerreichbares Liebesglück, eine Pagenrolle bei einem verehrten Fürsten, eine Teilnahme am Kampf, eine Beweis ihrer Körperkraft oder ihrer Fähigkeit der Verstellung: ich habe sie alle bewundert, am meisten die Heilige Johanna, die ihren König gerettet und damit ihr Vaterland gerettet hat. Heilig wollte ich nicht gleich werden, aber immerhin hörte ich, es habe auch einmal eine Päpstin gegeben. Alle Wetter! Leider hat ich keinen Husarenflucht mehr parat, aber ich er innere mich, in der Kompanie hieß es immer wieder einmal „Krutzi Türken“, wenn einer wütend war oder im Rausch nicht auf sein Pferd kam.

Ich weiß nicht mehr, wann ich als Kind eine Schwadron Husaren durchs Städtchen ziehen sah, ich saß mit meiner Bubenbande, in der ich längst schon eine Anführerin war, in den Ästen eines Straßenbaums, und als der Zug vorbeigeritten war, wollten wir alle Husaren sein und haben uns danach mit Haselnussstöcken bekämpft. Auch im Ringkampf habe ich manches Großmaul auf den Rasen geworfen und mich über ihn gekniet, bis er um Gnade bat. Ich war die Husarin, und keiner außer mir durchs sich noch so nennen.

Ich wollte noch nie ein Mädchen sein, und als der ungeliebte Busen kam, habe ich ihn versteckte unter dichten Kleidern, die ich mir selber nähte, mit wilden Hüten und Gürteln und manchem zerschlissene Wams. Mein Vater hielt auch nichts mehr von Weibern, seit ihm die Seine eines Tages durchgebrannt war, und hielt mich wie einen Sohn, der mich mitnahm auf die Jagd, und schicke mich nicht früh nachhause mit seinem alten Dienern, sondern ließ mich in einer Ecke dabei sitzen bei den Saufgelagen, wo ich einschlief unter seinen Kumpanen, trotz dem Gebrüll und dem donnernden Gelächter, mit dem sie sich übertrumpften.

Dem Maler musste ich genau vorschreiben, wie er mich conterfeien sollte: aufrecht sitzend, winterlich dick angezogen, lägen wir noch im Feld, mit der Pelzmütze und dem gezückten Säbel. Nur mit dem linken Arm ließ er nicht mit sich reden, in der weg gestreckten Hand hielt ich einen Fetzen der österreichischen Fahne, die ich mit erobert hatte. Das war dem Feigling noch immer politisch zu gefährlich. Er hat sich gerächt für meinen Stolz, als er in gemeiner Weise lästerte, als ich darauf bestand, zwei Dolche unter meine Gürtel zu schieben. Alle sollten sehen, dass ich auch im hohen Alter noch gefährlich aussehen wollte. Und dann zwang er mir noch ein rotes Tuch aus den Kopf, das sei wichtig wegen dem Farbenspiel, da gebiete ihm sein malerisches Gewissen, es sei ein Kontrapunkt, und außerdem erinnere es an das Blut, dass ich im Nahkampf vergossen hatte.

Sieht man, dass mein Antlitz vom Wetter gegerbt ist, dass ich die Lippen zusammenpresse, als ginge es gerade in den nächsten Kampf? Ich lauere darauf, welchen Ausfallschritt der Feind gerade mache willen. Ich sehe jedes noch so kleine Zucken in seinem Gesicht. Ich kann ihn einschüchtern mit meinen Augen, die in der Gefahr nur immer schärfer blicken. Mich hat nie ein Mann zu küssen gewagt, und erst recht hat mich nie einer im Bett überwältigt. Aber Anzüglichkeiten, ja obzönen Spott musste ich über mich ergehen lassen. Mancher hat seine Frechheit bitter bereut. Aber einer hat mich in der Kompanie einst denunziert und bloßgestellt, ich weiß nicht mehr, woher er von meinem Geheimnis wusste, es gab eine peinliche Untersuchung, und ich musste den Dienst quittieren. Seither lebe ich, ein wenig verbittert, von meinen Erinnerungen. Und der ziemlich teure Maler hat mir den Dienst erwiesen, mich als die tapfere Husarin abzubilden. Das Schlimmste wäre, eine skurrile Figur zu sein, statt ein mannhaftes Weib. Erst nach meinem Ableben darf das Bild gezeigt werden. Im Städtischen Museum will ich hängen, so habe ich es im Testament verfügt.