Tilmann Moser

Frauenpower und Männerfreundschaften

2012

Eigene schmerzhafte Erlebnisse in den letzten Jahren habe mich veranlasst, über das Thema Frauenpower und Männerfreundschaft nachzudenken, über das ich bisher  kaum etwas gelesen hatte.   Über das Thema Eifersucht sind in den verschiedensten Disziplinen Bände geschrieben worden, und ein großer Teil der schöngeistigen Literatur lebt von dem Thema. Aber meist handelt es sich um Dramen zwischen Mann und Frauen oder Frau und Männern, seltener über Verstrickungen zwischen Mann und Männern. Und wenn, spielen dabei erotische Bindung, Treue und Sexualität eine herausragende Rolle. Der eifersüchtigen Phantasie sind kaum Grenzen gesetzt, Verdächtigungen spielen ihren Part, selbstquälerische Phantasien, Vorwürfe, Überwachung, Misstrauen, Wut oder Hass, Selbstwertprobleme, Rachepläne oder suizidale Anwandlungen. An der mannweiblichen Eifersucht scheitern langjährige Partnerschaft und Ehen, sie schleicht sich in Spuren ein oder kann sich zum Wahn steigern, sie kann anfangs vitalisierend sein für eine Beziehung oder im Lauf der Zeit eine zerstörerische Macht entfalten, gegen die kein Kraut mehr gewachsen ist.

Ausschlaggebend ist, wieviel drängender Besitzanspruch im Spiel ist, wieviel Lebensangst vor Liebesverlust, wieviel symbiotische Anklammerung oder wieviel beruhigende oder lebensrettende Gewöhnung an die permanente Gegenwart und Verlässlichkeit des Partners oder der Partnerin.

Manche der Eifersuchtsdramen führen gar in wilde Racheaktionen, zu verbalen und tätlichen Angriffen, zu Mord oder gar Kindermord, für den Medea  ein mythisches Exempel gegeben hat, weil sie es nicht ertrug, dass Jason sich aus politischem Ehrgeiz einer anderen Frau zugewandt hatte.

Die Psychoanalyse hat herausgefunden, dass dort, wo sich eine dramatische Eifersuchtsentwicklung anbahnt oder vollzieht, es eine Vorgeschichte geben muss in einer früheren Familienkonstellation: wenn Eltern ein Kind vorziehen, wenn ein Kind in die Partnerkämpfe der Eltern verstrickt wird, wenn ein Elternteil die Generationsgrenzen nicht einhält und in einem Kind einen Ersatzpartner sucht, der beim anderenTeil Verlustängste schürt oder beim Kind die Atmosphäre vergiftende Triumphgefühle hervorruft. Fast immer lässt sich eine Geschichte von frühem Verlust der Liebe ausmachen, der zu einem ganzen Lebensskript führen kann: der Verlierer bleibt mit seinen Wunden in einem neuen Beziehungsgeflecht. Das bedeutet, dass der ursprüngliche Verlust unbewusst wiederholt, ja sogar gesucht und arrangiert wird in dem, was Sigmund Freud den “Wiederholungszwang” genannt hat, einen Zwang zu Opfersein, auf der anderen Seite, aus ebenso unbewussten Gründen, ein Zwang zu verletzender Täterschaft eines Menschen, der sich rächen muss für erlittenes Unglück aus vergeblicher kindlicher Liebe.

Aber was spielt sich in den subtileren Eifersuchtsdramen ab, bei denen ein Partner eine gleichgeschlechtliche Beziehung des anderen nicht ertragen kann, im Extrem eine sexuelle, aber darum geht es viel seltener. Gemeint sind hier – und die Konstellation scheint mir häufiger - die, wenn eine Frau versucht, eine seelische, geistige, ästhetische, künstlerische, kooperative Beziehung zwischen zwei Männern, Freunden, kreativen Partnern zu stören. Auch hier müssen sich, wenn der Wille zur Störung oder  Vernichtung der Beziehungen hochkocht, frühe Verletzungen an der Wurzel des Konflikts finden: Niederlagen im Geschwisterkampf, Leid von Schwestern, wenn Brüder die Mädchen ausschließen oder entwerten, wenn Vater und Sohn oder Söhne ein exklusives Band einzugehen scheinen, wenn Eltern, Lehrer oder andere bedeutungsvolle Personen Geringschätzung zeigen für wertvolle Eigenschaften von Mädchen, die dazu führen, sie nicht ernst zu nehmen.

Frauen scheinen dann, wenn Eifersucht aufkeimt, nicht offen zu agieren, sondern sie säen Misstrauen, greifen zu subtilen oder offenen Entwertungen, beschwören sogar Gefahren, die aus der anderen Beziehung erwachsen könnten, verdächtigen den Freund unlauterer Motive, weisen auf bereits wahrnehmbare negative Einflüsse hin, warnen vor Ausbeutung, sabotieren Termine von Begegnungen, oder zeigen sich in verschiedenster Weise verstimmt oder vorwurfsvoll, wenn es zu einer Begegnung kommen soll oder schon gekommen ist: ein gemeinsames Essen, eine Wanderung, ein intellektuelles Ereignis, die Diskussion eines Problemes oder eines beruflichen oder literarischen Planes. Oder sie zeigen verdeckt oder offen schlechte Laune oder Ungnade dann, wenn der Partner zufrieden oder beglückt von dem Treffen oder gar einer längeren gemeinsamen Unternehmung mit dem Freund berichten will. Der Partner, wenn er nicht längst ein gebranntes Kind ist und Vorsicht walten lässt mit Bekundungen seines Freundschaftsglücks, fühlt sich eingeengt oder unschuldig, weil er nicht den Eindruck hat der Partnerin etwas wegzunehmen. Es macht gerade das Glück glücklicher Paar aus, wenn sie sich Freundschaften mit gleichgeschlechtlichen Freunden oder Freundinnen gönnen oder wünschen. Ja, sie fördern es oder freuen sich mit an der Bereicherung, die der Partner erfährt. Aber dort, wo das Gift der Eifersucht eindringt, droht wirklich Gefahr, nicht nur wegen der heimlichen oder offenen Sabotage, sondern auch wegen der seelischen Wirkungen, die die Konstellation bei beiden hinterlässt. Der Mann – aus eigener Erfarhung kenne ich nur diese Konstellation – spürt die drohende Verarmung seiner Beziehungen, hegt vielleicht wachsenden Groll; die Frau muss mit ihren Schuldgefühlen umgehen, soweit sie überhaupt welche empfindet. Denn viel wahrscheinlicher ist – wie in allen Eifersuchtsdramen - das Gefühl der Berechtigung der störenden Eingriffe aufgrund des Gefühl von Betrogensein, Untreue, Entwertung und Ausschluss. Manche können spüren, dass sie “biestig” oder gemein handeln, oder drohende Schuldgefüjhle werden dadurch gemildert, dass die Zuwendung, wie anstelle einer Wiedergutmachung, liebevoller oder sogar süßlicher wird, um die Untat der Störaktionenen zu verschleiern. Dass Rache für frühe Verletzungen am Werk ist, bleibt dabei meist verdrängt.

Gelegentlich mag das “Wiedereinfangen” des Partners gelingen, wenn dieser großmütig oder unter Druck auf die Freundschaft verzichtet oder sie wenigstens einschränkt. Aber es kann auch sein, dass sich Gift einschleicht in die eheliche Beziehung, wenn der Besitzanspruch als anmaßend oder lebensmindernd empfunden wird.

Frauen, angesprochen auf das Thema, mischen oft Klage und Anklage zum Thema ihres Ausschlusses: sie fühlen sich nicht gewürdigt oder entwertet oder als zickig verunglimpft. Andererseits sprechen sie von der Feigheit der Männer, die nicht für ihre Freundschaften kämpfen,und führen ins Feld, dass viel an der fehlenden Abnabelung von einem nicht verarbeiteten Mutterbild hängt: in zeitlich fortgeschrittenen Ehen nimmt die Mutterübertragung der Männer zu, die den Ehefrauen in sozialen Belangen viel zu viel Macht einräumen und sich keinen Kampf um ihr Freundschaftsrecht mehr zutrauen.

Gibt es Heilmittel für solche Konflikte, bevor sie gänzlich destruktiv werden? Das Ansprechen im Gespräch ist wichtig, ein Einbeziehen der eifersüchtigen Partnerin in Bereiche, aus denen sie sich ausgeschlossen fühlte. Denn es droht noch eine andere Variante der Rache für Ausschluss und Eifersucht: die Frau versucht, mit dem Freund der Ehemannes anzubändeln oder ihn zu verführen.

Wie sieht das Gegenbild aus: Mann ist eifersüchtig auf die Beziehungen zu Freundinnen der Frau: Männer können ihre störenden Gefühle bekämpfen, indem sie gönnerhaft - entwertend die “Plaudertreffs” tolerieren, weil Frauen “eh nur schnattern und tratschen.” Auch sie können Verführungsversuche starten, um in das ihnen unzugängliche Gelände einzubrechen. Nicht wenige Frauen klagen vor dem Scheidungsanwalt: “Ausgerechnet an  meine beste Freundin hat er sich rangemacht.” Oder die Männer erzwingen mehr Präsenz der Frauen im Haus und betonen den Anspruch auf die dominante oder ausschließliche Beziehungs-Rolle in der  Ehe. Frauen sind oft nachgiebiger als die Männer, wenn es um die Erhaltung des Friedens geht, und sie greifen seltener als Männer zu der Idealisierung ihrer gleichgeschlechtlichen Bindungen als wichtig, bedeutsam, kreativ oder kulturell hochstehend. Oder sie treten freiwillig oder aus mangelndem Selbstwertgefühl viele Kompetenzen an die Männer ab, die das exklusive Recht auf  “wichtige Freundschaftstermine” für sich beanspruchen.

Hört man sich um im Bekannten - oder Freundeskreis nach ähnlichen Erlebnissen oder Bedrohungen, so erfährt man zahlreiche solcher Geschichten, teils mit Heiterkeit, teils mit Bitterkeit berichtet. Am wenigsten destruktiv wird die Konstellation, wenn die “ freundschaftlich Verbündeten” sich weniger ausschließend verhalten, die eifersüchtige Dritte einbeziehen, umwerben, ihres Verständnisses versichern, sich einfühlen in eine vielleicht längst wachsende Not. Aber dafür brauchen sie einen Blick für das Problem und die seelische und sprachliche Fähigkeit es anzusprechen. Wenn die fehlen, wird eben weitergelitten.

Es gab seit dem achtzehnten Jahrhundert bis heute eine geniale Lösung für wohlabende, kulturinteressierte und gastliche Frauen: sie gründeten einen Salon und hatten dasVergnügen, bei den Unterhaltungen kluger Männer und deren Männerfreundschaften, allmählich auch ebenbürtig, präsent und mitspracheberechtigt zu sein. So konnte sich eventuelle Eifersucht wandeln in Förderung, Teilhabe und Entzücken, und wer es glanzvoll betrieb, ging außerdem in die Kulturgeschichte ein.