Tilmann Moser

Schluss mit dem Freud-Bashing!

Thomas Köhler analysiert die Anti-Freud-Literatur und rechnet ab mit den Feinden des Gründers der Psychoanalyse – die auch seine Feinde geworden sind

Die prominentesten Psychiatrieprofessoren der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren sich nicht zu schade, sich in die Schlacht zu werfen gegen Sigmund Freuds Psychoanalyse, der sie Unwissenschaftlichkeit, Mythenbildung, Wertezerstörung, Zersetzung der Gesellschaft, Fälschungen und vieles mehr vorwarfen, zum Teil, ohne viel verstanden zu haben, aber mit um so bissigerem zum Teil bissigerem Zorn. Andere Autoren sprachen in zahllosen Aufsätzen und Büchern deutlicher und dreister von Betrug, Märchenerzählungen, Lügen, Plagiat. Einige gingen weit unter die Gürtellinie und verdächtigten Freud der Sexsucht. Andere bezichtigten ihn, Texte im Kokainrausch geschrieben zu haben und ein fanatischer Verdächtiger von Ethik und Religion, kurz ein unwürdiger Scharlatan zu sein, der den Untergang des Abendlandes betreibe.

Seit Jahren betreibt der Psychologieprofessor, Psychotherapeut und Arzt Thomas König in mehreren Büchern seinen Kampf gegen die literarische und (schein)-wissenschaftliche Verleumdung Freuds, nun zusammengefasst in der umfassenden Monografie Freud-Bashing, in der er dessen Gegner, die auch seine geworden sind, entlarvt und, wie er hofft, vernichtet. Mit gewaltiger Literaturkenntnis zitiert er alle Methoden und Winkelzüge der Verleumdung und der vergeblichen Widerlegungsversuche und rätselt deutend über die Motive der Gegner Freuds. Und er gibt zu, dass er selbst gelegentlich in eine ironische, sarkastische und zornige Sprache verfällt, nicht zuletzt gegen C. G. Jung. In seinen späteren Schmähschriften gegen Freud hatte dieser dem Begründer der Psychoanalyse „jüdische Rationalität“ und „Unkenntnis der ganzheitlichen Seele“ vorgeworfen.

Einer von Köhlers Hauptfeinden ist H. J. Eysenck mit seinem Buch Sigmund Freud: Niedergang und Ende der Psychoanalyse, dessen „toll-dreiste Beschimpfungen … dem Leser das Blut noch Stunden später kochen lassen“.

Der Autor ist in tiefster Seele beleidigt über die Verleumdung Freuds auf allen polemischen Ebenen der Anti-Freud-Literatur. Er hat eine gigantische Menge an Zitaten gesammelt und wirft sie in langen Kapiteln, etwa gegen die verfälschenden und verständnislosen Kommentare der Analyse des „Kleinen Hans“ in den wissenschaftlichen Orkus. Freud selbst wird in seinen zitierten Antworten zum leuchtenden Vorbild der Gelassenheit, aus der aber immer wieder auch die Verletzungen und der ironische Zorn hervorleuchten. Aus seinen Widerlegungsversuchen gegen die Kritik spricht eine grandiose Siegessicherheit, dass die Zukunft der weltweiten Anerkennung und Verbreitung gegen die Gegner sprechen und sie der Lächerlichkeit preisgeben wird.

Zu rühmen ist Köhlers umfassende Kenntnis der Literatur und sein Scharfsinn der Entlarvung der „Schmähschriften“, zu kritisieren die oft unfruchtbare Rückpolemik gegen Autoren, die längst vergessen sind. Aber für den Autor bleiben sie immer noch die aktuellen Feinde der hoch idealisierten Psychoanalyse. Das Buch ist fast übermässig dokumentiert und beruht auf fast lebenslänglcher Forschungsarbeit. Es schwankt zwischen Freudanbetung aus großer Nähe und dem rachspüchtigen Schleudern der Ketzer aus vergangenenReligionskriegen in die verdiente Hölle der Verachtung.

Thomas Köhler: Freud-Bashing. Vom Wert und Unwert der Anti-Freud-Literatur. Psychosozial, Gießen 2016, 227 S., € 29,90

Tilmann Moser